Donnerstag, 17. Juli 2014

Chancen bearbeitet

Jeder hat eine zweite Chance verdient.
Benötigt jemand eine dritte Chance, hat der Pädagoge vorher nicht gut geplant.
Das kommt vor.
Gibt man aber jemandem,
ohne dass er Vorleistungen erbringt,
eine vierte Chance,
hat die Pädagogik völlig versagt.

Eine wahre Geschichte. Die erste große Liebe ist immer etwas ganz besonderes, was man nie vergisst.

Ich war in der 6. Klasse, als er in unser Dorf zog. Von meinem Fenster aus konnte ich seine Wohnung sehen. Schon am ersten Tag, den der schüchterne unbeholfene und schlacksige Junge in meine Klasse ging, schlug mein Herz schneller. Wenn sein über die Schülergesichter streifender Blick meine Augen trafen, zog ein roter Schauer über meine Wangen.

Zettelschreibend, schmachtend und schwer an permanentem Liebeskummer leidend, schaffte ich die 6. Klasse. Mein Zeugnis war noch nie so schlecht.

Anlässlich meines 13. Geburtstages durfte ich alle Mitschüler einladen. Wir spielten Flaschen drehen und Kirschen kosten. Dabei bekam ich mein erstes Küsschen und tagelang war ich überglücklich. Ich saß auf dem Fensterbrett unser Küche im 3. Stock, weil man von dort so gut in die Wohnung seiner Eltern schauen konnte. Heute würde man sagen, ich war ein Stalker. War er draußen zu sehen, warf ich die Jacke über und ging spazieren, hing in der Schule sein Anorak neben meiner Jacke, war das so gut wie eine Liebeserklärung. Ich scharwenzelte um ihn herum, schrieb Liebesbriefchen und tat alles, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.

Eines Tages erhielt ich in der Schule ein Zettelchen, das schon durch viele Hände gegangen war. Da stand, dass er für eine Beziehung noch nicht reif sei und sich noch nicht binden wollte.
2 Jahre meines jungen Lebens war ich immer wieder ermutigt und gedehmütigt worden. Nun fühlte ich mich ungeliebt und hässlich, war verletzt und gekränkt. Meine Eltern verstanden mich natürlich nicht mehr und insgesamt war ich nur noch unglücklich.

Kurz nach diesem Zettelchen wechselte ich die Schule und lernte einen jungen Mann kennen, der in allem das Gegenteil dieses Schlacks war. Kräftige Hände, die zupacken konnten, die mich trugen, mich wirklich lieb hatten.
Sie konnten die Verletzung überdecken, heilen konnten sie nicht. Das schwer angeschlagene kleine Selbstbewusstsein erholte sich nur langsam von dieser Niederlage.
Oft dachte ich zurück, schaute peinlich berührt meine alten Tagebücher an und verliebte mich eines Tages neu. Heiratete sogar.

Auf dem Weihnachtsmarkt. Ungefähr 6 Jahre waren vergangen. Mein Ehemann und ich schlenderten über den Markt, schauten hier und da. Plötzlich sah ich IHN. Er trug Uniform, war immer noch genauso schlacksig, groß und unbeholfen und er roch auch immer noch genau so gut wie damals.

Wir sprachen ganz kurz miteinander. Mein Mann hielt sich im Hintergrund.
Der kleine Mann in meinem Bauch trat von innen und ließ mir kaum Zeit festzustellen, dass ES gar nicht mehr weh tat.
Es war nur ein halber Gedanke, nicht wichtig mehr. Mein Mann nahm mich in den Arm, schob die Hand auf den runden Bauch unter meinem weiten Mantel und wir gingen gemeinsam und glücklich nach Hause in unsere gemeinsame Wohnung.

Einige Wochen später, die Geburt meines ältesten Sohnes stand kurz bevor, brachte mir meine Mutter einen geheimnisvollen Brief - von Ihm.
Er schrieb, wie leid ihm heute täte, was er damals alles gesagt und geschrieben habe und ob wir es nicht noch einmal versuchen wollten. Sogar ein Treffen schlug er vor.

Stolz schrieb eine glückliche junge Mutter und Ehefrau ihre Antwort und legte ein Foto ihres erstgeborenen Kindes mit in den Brief.

Ich habe nie wieder von ihm gehört.

Der Titel...

...spielt weniger auf meinen Namen oder meine Figur an, er steht eher für Ungewöhnliches, Überraschendes, Neues, gänzlich Unerwartetes.

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Zuletzt aktualisiert: 3. Mär, 09:10

Liebeskummer
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